Meinungsmontag Film: ElekTRONisches Erbe und Klassengesellschaft

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Light cycle model on display at Fan Expo 2009 ...

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Wer heute ins Kino geht, ist Computergrafiken mehr als gewöhnt. Dinosaurier, Monster, Aliens, fehlende oder zusätzliche Gliedmaßen, Naturgewalten,  gar ganze Welten kommen heute direkt aus dem Rechner auf die Leinwand. Die Technik entwickelt sich weiter, aber als die große Novität kann man das längst nicht mehr betrachten.

Ein  Jahr vor meiner Geburt sah das noch ganz anders aus. Krieg der Sterne war der Film, der zwar bis dato unbekannte neue Bilder zeigte, die waren aber alle noch mit der Hand durch Miniaturen und Stop-Motion-Technik erzeugt worden. Computer steuerten hier allenfalls die Motion-Control Kameras. Einer der ersten Filme mit am Computer erzeugten Szenen war Tron. Die  Story ist schnell erzählt: Der Programmierer Kevin Flynn (Jeff Bridges) will beweisen, dass  ihm mehrere seiner Computerspiele  vom ehemaligen Kollegen Dillinger gestohlen wurden, der daraufhin befördert wurde. Dazu hackt er sich in das Computersystem der Firma ENCOM, welches von künstlichen Intelligenz MCP geschützt wird. Bei einem Versuch mit Unterstützung der Mitarbeiter Alan Bradley (Bruce Boxleitner) und  Lora Baines (Cindy Morgan) wird Flynn mittels Laser digitalisiert und ins Computersystem befördert. Dort leben die Programme, die alle ihren Schöpfern ähnlich sehen, unter der strengen Herrschaft des MCP und dem Commander Sark. Programme, die sich widersetzen, müssen in Gladiatorenkämpfen um ihre Existenz bangen. Hier trifft Flynn auf das Sicherheitsprogramm TRON, beide flüchten während eines Spieles mit den “Lightcycles”. Letztendlich kämpfen beide gegen Sark und befreien die Programme der virtuellen Welt, Flynn gelangt in die Realität zurück, kann den Programmdiebstahl beweisen und wird CEO von ENCOM.

Spulen wir die Zeit 28 Jahre vor, wir haben die Dinosaurier, Aliens etc. gesehen, allgegenwärtige Computer und Computerwelten. Wo haben wir unsere Helden verlassen? In Tron Legacy erfahren wir, dass Kevin Flynn einen Sohn hervorbrachte und ansonsten an der Revolutionierung der virtuellen Welt arbeitete. Woran genau erfährt man erstmal nicht, denn Schöpfer und Schöpfung sind seit vielen Jahren verschwunden, seine Firma ENCOM haben Manager übernommen. Sam (Garrett Hedlund) ist zwar Eigentümer der Firma, aber daran eher uninteressiert. Er hat offenbar nie verwunden, dass sein Vater ihn einfach im Stich ließ. Als Alan (Bruce Boxleitner) einen Anruf aus der alten Spielhalle erhält, überzeugt er Sam sich dort umzusehen. Wenig überraschend findet er dort ein geheimes Büro inklusive Computer vor und wird mittels Laser in die virtuelle Computerwelt digitalisiert. Hier regiert ein Abbild seines Vater, ein Programm namen Clu (Codified Likeness Utitility, ein virtuell verjüngter Jeff Bridges) und die Geschichte scheint sich zu wiederholen: Sam wird gefangen genommen und zu den Spielen geschickt. Als Clu seiner Anwesenheit gewahr wird, versucht er ihn zu vernichten. Mit Unterstützung von Quorra (die hinreißende Olivia Wilde) kann er flüchten und begegnet letztlich seinem Vater (zeitgenössischer Jeff Bridges), der in dieser Welt bislang gefangen war. Als Sam sich allein aufmacht, um wieder in die Realität zurückzukehren entschließt sich Kevin, der sich all die Jahre erfolgreich aus dem Einflussbereich Clus entzogen hat – aus Gründe, die an dieser Stelle nicht gespoilert werden – Sam zu Hilfe zu eilen und dem Programm Clu, dass er selbst erschaffen hat, entgegen zu treten.

Man sollte vorausschicken: Die Story war und ist nicht die Stärke der Tron-Filme. Die visuelle Aufmachung von Tron Legacy ist aber absolut im 21. Jahrhundert angekommen. Alle bekannte Elemente des ersten Filmes wurden liebe- und sinnvoll modernisiert, vor allem in 3D kommt das toll zur Geltung. Die Geschichte des zweiten Teils mag etwas komplexer sein, verkauft wird sie aber wie schon 1982 durch die tollen Darsteller und die überragende visuelle Erfahrung. Darum ist ein solider Film entstanden, der einerseits eine würdige Fortsetzung ist und andererseits als einer der wenigen Filme, die eine Visualisierung der digitalen Welt versuchen, hier eine tolle Leistung abliefert. Ebenso fetzig ist die abwechslungsreiche Musik des Filmes von Elektroduo Daft Punk. Mir persönlich bekannt seit dem Animemusical Interstella 5555 passt die Mischung aus C64-Sound und klassischem Orchester wie der Diskus in die Schnittstelle. Für Fans sollte der Kinobesuch eine Selbstverständlichkeit sein, für Freunde des 3D Kinos und visueller Vollendung empfiehlt er sich ebenfalls. Like!

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Actors of movie Entre les murs at Cannes Film ...

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Und einer auf DVD

Als Kontrastprogramm kann ich auch noch was anbieten, der Film heißt “[amazon_link id=”B00297YGR0″ target=”_self” locale=”DE” ]Die Klasse[/amazon_link]” und ist ein Spielfilm im Dokumentarstil von Laurent Cantet. Wir begleiten den Lehrer François Marin durch sein Schuljahr und begegnen gleich zu Beginn seiner illustren Klasse von gewöhnlichen Jugendlichen eines Pariser Arondissements mit hohem Migrantenanteil. Da gibt es Wei aus China, der ein äußerst vorbildlicher Schüler ist, aber auch Souleymane, der regelmäßig die Schule schwänzt, die französische Nationalität ablehnt und den Koran zitiert. Esmeralda ist vorlaut und diskutiert gern, Carl ist gerade von einer anderen Schule verwiesen worden und kommt neu in die Klasse. Sie alle machen es dem Lehrer alles andere als leicht.

Der Film zeigt die Konflikte und Lösungsversuche, die nicht nur der Mischung unterschiedlicher Nationalitäten sondern eben auch ganz simpel der Pubertät entstammen. Lehrer Marin versucht dabei offen zu sein, die Regeln lose zu handhaben und Verbote nicht mit eiserner Hand durchzuboxen. Das funktioniert leidlich gut, teilweise bekommt er selbst zu Problemschülern wie Souleymane einen Draht, dann wieder droht alles aus dem Ruder zu laufen. Wir erleben, wie schwierig die Gespräche mit den Eltern sein können und wie die Lehrer untereinander und mit ihren Schülern um jeden kleinen Erfolg ringen oder daran zugrunde gehen. Obwohl der Filme eine lose Narration hat und auch auf einem Roman von François Bégaudeau basiert, ließ man viel Platz für Improvisation. Auch die Laiendarsteller tragen viel zum Realismus bei, so dass dem Film eine hohe Glaubwürdigkeit anhängt.

Dieser Film sollte “Pflichtlektüre” für alle angehenden Lehrer sein und auch für Eltern, die Schwierigkeiten haben, die Leistung heutiger Lehrer zu wertschätzen. Nicht ohne Grund wurde er 2008 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet und war für den Oscar als ausländischer Film nominiert. Überaus empfehlenswert!

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