Zum Teufel mit den Grundrechten – Die Zweite

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Image via Wikipedia

Na, da geht doch einiges im Staate Deutschland. Heutiges Thema (auf vielfachen Wunsch, war schon mehrfach dabei, darum bitte nicht wiederwählen): Killerspiele

Als Student der Medienbildung hatte und habe ich die eher zweifelhafte Freude mit der öffentlichen, wissenschaftlichen und medienjournalistischen Diskussion zum Thema Computerspiele eng vertraut zu sein. Ich kenne den Forschungstand, die Position gewisser Medien und einzelner Protagonisten und auch die der Gamer. Ich selbst zähle mich vor allem zur letzten Gruppe (immerhin bin ich schon sehr viel länger Computerspieler als ich Student bin), allerdings hege ich selbst kein großes Interesse an Computerspielen mit Gewaltthematik. Ich habe durchaus Wolfenstein 3D gespielt, Doom, Half Life II, Dark Forces und andere Spiele, in denen Gewalt inszeniert wird und die zum Teil indiziert sind. Allerdings machen mir Adventures, Simulationen und Strategiespiele wie Sim City, Civilization, Super Mario Galaxy, Spore, Monkey Island, Geheimakte Tunguska etc. in der Regel mehr Spaß.

Das vorausgeschickt, ich bin durchaus der Meinung, es gibt zu viele dämliche Egoshooter oder Kriegssimulationen. Dämlich nicht etwa weil sie Gewalt zeigen, sondern weil sie ein hinreichend ausgeschöpftes Spielprinzip zum x-ten Mal ideenlos und unkreativ aufwärmen. Dasselbe kann man aber auch über Filme, Bücher, Fernsehsendungen und alle weiteren Medien sagen.

Die Diskussion um die Medienwirkung, also wie derlei Spiele auf Menschen, insbesondere Kinder und Jugendliche, wirken und ob sie ihre Entwicklung beeinflussen können, ist immer wieder dann entflammt, wenn Gewaltverbrechen angeblich eindeutig aus der Nutzung von Computerspielen resultiert haben sollen. Erfurt im Jahre 2002 war das erste medial intensiv aufbereitete Beispiel in Deutschland, es folgten einige weitere. Die öffentliche Diskussion – will man sie so nennen – hält – dank einiger nimmermüder Protagonisten – bis heute an, wird sogar erneut angeheizt von dem jetzt formulierten “Kölner Aufruf”.

Zu den Unterzeichnern gehört auch – mal wieder – Prof. Dr. Christian Pfeiffer (ja, mit drei f) vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen, der sich samt seines Instituts zur spanischen Inquisition im Bereich Computerspiele aufschwang und mir persönlich erstmals 1999 übel auffiel, als er eine Diskussion um die seiner Meinung nach autoritäre Erziehung (alle hätten kollektiv auf die Toilette gehen müssen usw.) in der DDR vom Zaun brach (siehe hierzu Wikipedia). Aber wir wollen nicht vom Thema abkommen. Zusammen mit mehreren hundert Unterzeichnern formuliert er sein Anliegen diesmal so:

Wir lassen nicht zu,
â—‹ dass die Köpfe und Herzen unserer Kinder weiterhin durch Killerspiele mit Krieg und Gewalt vergiftet werden;
â—‹ dass Kinder und Jugendliche zu Tötungsmaschinen auf den virtuellen und realen Schlachtfeldern dieser Welt abgerichtet
werden;
â—‹ dass neue Feindbilder geschaffen und Fremdenfeindlichkeit verbreitet wird;
â—‹ dass die humanen und zum Frieden verpflichtenden Grundlagen unserer Gesellschaft zugrundegerichtet werden und
Krieg zur Normalität wird;
â—‹ dass Menschenrechte, Grundgesetz und Völkerrecht durch Gewaltspiele unterminiert werden.

Wir fordern,
â—‹ dass die Herstellung und Verbreitung von kriegsverherrlichenden und gewaltfördernden Computerspielen für Kinder und Erwachsene verboten werden – denn Krieg ist nicht nur schlecht für Kinder, sondern auch für Erwachsene; (1)
â—‹ dass die „Bundeszentrale für politische Bildung“ verharmlosende Schriften zurückzieht und gemäß ihrem Auftrag über den tatsächlichen Stand der Forschung informiert; (2)
â—‹ dass Wissenschaftler ihre Finanzierung durch die Games-Industrie offenlegen; (3)
â—‹ dass alle Parteien ihre Beschlussanträge, die Computerspiele zum „Kulturgut“ erklären wollen, zurückziehen; (4)
â—‹ dass die Games-Industrie keine staatliche Förderung und politische Unterstützung erhält; (5)
â—‹ dass Medienbildung über die tatsächliche Wirkung von Gewaltdarstellungen aufklärt und zum Frieden erzieht; (6)
â—‹ dass Politiker, Wissenschaftler und Medienvertreter ihrem Auftrag gerecht werden, dem Frieden zu dienen, wie es Grundgesetz, Menschenrechte und Völkerrecht verlangen – sonst müssen sie abtreten.

Abgesehen davon, dass dies sachlich betrachtet auf durchaus löbliche Absichten schliessen lässt, zeigt es vor allem aber die Unkenntnis,  Ignoranz  und beinhahe böswillige Verklärung sowie – meiner Meinung nach – die Angst der Unterzeichnenden vor einem Medium, dass sie nicht verstehen.

Zunächst mal existieren schon wirksame Schutzmaßnahmen, namentlich das Jugendschutzgesetz, welches Jugendlichen unter 18 den Zugriff auf Medien verbietet, die unter die folgende Beschreibung fallen (§15 Absatz 2):

(2) Den Beschränkungen des Absatzes 1 unterliegen, ohne dass es einer Aufnahme in die Liste und einer Bekanntmachung bedarf, schwer jugendgefährdende Trägermedien, die

1. einen der in § 86, § 130, § 130a, § 131, § 184, § 184a, 184b oder § 184c des Strafgesetzbuches bezeichneten Inhalte haben,

2. den Krieg verherrlichen,

3. Menschen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren, in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen und ein tatsächliches Geschehen wiedergeben, ohne dass ein überwiegendes berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der Berichterstattung vorliegt,

3a. besonders realistische, grausame und reißerische Darstellungen selbstzweckhafter Gewalt beinhalten, die das Geschehen beherrschen,

4. Kinder oder Jugendliche in unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen oder

5. offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit schwer zu gefährden.

Welche Medien das dann konkret sind entscheidet die BPJM auf Antrag, diese Spiele dürfen dann nicht frei verkauft (nur auf Nachfrage an Erwachsene), beworben und Jugendlichen zugänglich gemacht, sie sind indiziert. Außerdem gibt es USK, die Computerspiele in Altersklassen einstuft und mit dem entsprechenden Logo versieht. Diese Kennzeichnung ist notwendig, wenn man in Deutschland ein Spiel anbieten will.

Das Jugendschutzgesetz und die damit verbundenen Maßnahmen in Deutschland (fett hervorgehoben die Verschärfungen, die 1. Juli 2008 hinzugefügt wurden) sind im weltweiten Vergleich schon sehr streng.

Eine weitere Verschärfung für Jugendliche ist widersinnig, zumal alles, was man thematisch als problematisch betrachten könnte, mittlerweile ja schon aufgeführt ist und demnach verboten ist.

Die darüberhinaus geforderte Maßnahmen sind aber nun durchaus  ein Angriff auf die wichtigsten Inhalte des Grundgesetzes, die ich erst in meinem letzten Posting besprochen habe:

– Ein Herstellungsverbot für Computerspiele irgendeines Themenbereiches ist schlichtweg Zensur. Damit führt sich die Forderung, die nach Umsetzung der Menschenrechte, des Grundgesetzes und Völkerrechts ruft, selbst ad absurdum, weil sie eben die Fundamente eben dieser Errungenschaften errodiert.

– die Forderung nach dem Rückzug aller “Beschlussanträge, die Computerspiele zum „Kulturgut“ erklären wollen,[..]”, zeugt von noch größerer Dummheit und Ignoranz, immerhin machen Gewaltspiele nur einen Bruchteil des Computerspielmarktes aus und es entstehen immer mehr Titel, die man unstrittig als kulturell wertvoll oder gar als Kunst bezeichnen kann. Darüber detailliert zu argumentieren werde ich mir vielleicht für später aufheben (ich überlasse es aber auch gerne den Komilitonen/Innen und verlinke  mit Freude).

– “dass Medienbildung über die tatsächliche Wirkung von Gewaltdarstellungen aufklärt und zum Frieden erzieht”

Nun ja, zunächst mal möchte ich ernsthaft bezweifeln, dass der Begriff Medienbildung hier in irgendeiner Form richtig platziert ist, ich empfehle den Unterzeichnern hier zunächst die Lektüre des Bandes “Medienbildung – eine Einführung“. Die tatsächliche Wirkung von Gewaltdarstellungen ist nach wie vor strittig und ob es zum Frieden beträgt, wenn wir unsere Kinder in Watte packen und von den unschönen Seiten der Welt fernhalten sei auch mal dahingestellt.

Inwiefern die Forderung 2, 3, und 5 sinnvoll oder ernst gemeint sind, kann ich nicht vollends beurteilen, allerdings scheint es mir wenig sinnvoll einen heranwachsenden Industriezweig in den neuen Medien, der viele neue Arbeitsplätze schafft, nicht zu fördern und zu unterstützen. Und “wenig sinnvoll” sei hier synonym für “saudämlich” oder “geistig umnachtet” verwendet.

Es gilt die alte Weisheit, dass man nicht unterschreiben soll, was man nicht gelesen und/oder verstanden hat, diesen kann ich so nur an die Erstunterzeichner weitergeben.

Die GMK hat ihre Empörung hier formuliert und findet meine volle Zustimmung. Darin wird auch auf die Punkte eingegangen, die ich ausgespart habe.

In Anlehnung an den schon fast vorbildlichen Aufbau von Verschwörungstheorien durch den “Kölner Aufruf” möchte ich nochmals meinerseits die Theorie formulieren, dass offenbar aus diversen Bereichen innerhalb und außerhalb der Politik konsequent versucht wird unsere geltenden Werte und Ideen von Grund- und Menschenrechten in kleinen Schritt zu durchlöchern anstatt sie für das 21. Jahrhundert fit zu machen, wie an diesem Beispiel leider wieder sehr deutlich wird.

Ich freue mich auf mögliche Diskussionen!

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