Amoklauf in Winnenden / Killerspiele sind mal wieder Schuld

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Es ist immer wieder traurig zu hören:  Da nimmt sich jemand Waffen und Munition, geht offenbar gut vorbereitet und mit detailliert durchdachtem Vorhaben in seine Schule und beginnt scheinbar wahllos Menschen zu erschießen. Ich kann mir kaum vorstellen, was das für eine Erfahrung ist und was es mit den Beteiligten oder den Angehörigen der Opfer anstellt. Man fragt sich, in was für einer Welt wir denn leben, in der es offenbar immer mehr Menschen gibt, die nicht nur die Möglichkeit und Ausrüstung haben, solch eine Tat durchzuführen sondern was man für Gedanken haben muss, was für eine Motivation einen dazu treibt. Komplizierte Fragen in unserer noch viel komplizierteren Welt die zwar, mehr als jemals zuvor in der Geschichte, eine Vielzahl von Chancen bereithält aber eben auch neue Risiken und Belastungen, auf die keiner vorbereitet sein kann.

Der 11. März 2009 ist so ein Tag, wo plötzlich nichts mehr ist, wie es mal war. Der 17-jährige Tim K. hat mit der kaltblütigen Ermordung von 15 Menschen im ganzen Land Betroffenheit und Nachdenklichkeit ausgelöst. (Sueddeutsche.de)

Man sollte meinen, dass man so einer komplexen Fragestellung mit entsprechender Sorgfalt begegnet muss, dass man dezidiert die Verhältnisse analysiert, in der ein solcher Täter gelebt hat. Dass man fragt, wie kann jemand so einfach an Waffen und Munition in diesem Umfang kommen. Warum wählte er gerade unbekannte Mitschüler an seiner ehemaligen Schule als Ziele aus? Warum?

Doch wenn es nach den Medienberichten der letzten paar Tage geht, scheint nur die Antwort auf eine Frage wirklich von Interesse zu sein: Der Täter hat doch bestimmt intensiven Gebrauch von ‘Killerspielen’ gemacht?

Und wenig überraschend fällt die Antwort positiv aus und überschattet damit doch auffällig die sonstige Berichterstattung in nahezu allen Medien.
Die Analyse auf sueddeutsche.de fällt im Grunde noch gemäßigt aus, aber auch hier wird von “Killerspiel-Welten” gesprochen, in die sich da die Spieler zurückziehen würden. Aus diversen Fernsehberichten habe ich entnommen, dass der Täter wohl das böse Counter-Strike auf dem Rechner hatte – wobei man auch hier das Ende der Untersuchung abwarten sollte, bei Robert Steinhäuser in Erfurt hatte man letztendlich festgestellt, dass er das Spiel allen Medien-Behauptungen zum Trotz gar nicht spielte- – und dazu noch World of Warcraft. Oh Wunder, beides sind erfolgreiche Titel und millionenfach verkauft worden, es existiert wohl kaum ein Computerspieler der sie nicht zumindest schon mal gespielt hat. In beiden Titeln gehört das ‘Killen’ von Pixelfiguren unbestritten zum Spielprinzip.

Blitzschnell, als hätte man sich schon darauf vorbereitet, hat die bayerische Landesregierung erstmal wieder ein “strengeres Verbot von Killerspielen” gefordert. Nicht sehr kreativ und auch noch falsch, denn ein Verbot von Spielen, die „grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt“ gibt es bereits und dazu noch klare Einschränkungen durch das Jugendschutzgesetz.

Unser Minister für Datensammlung und Inneres Wolfgang Schäuble spricht sich ebenso eindeutig für ein Verbot von Killerspielen aus und gleichsam eindeutig gegen strengere Waffengesetze. Im Klartext: Virtuelles Schießen wird verboten, reales Schießen wird weiter erlaubt. Zitat: „Ist es nicht wahr, dass durch diese Gewaltdarstelllungen, durch Killerspiele, durch was der Himmel es alles gibt an schrecklichen Dingen, dann bei jungen Menschen solche Mechanismen ausgelöst werden, dass dann ein junger Mensch, 17 Jahre alt, so etwas entsetzliches tut?”

Das ist zweifellos eine gute Frage, problematisch ist nur, dass Herr Schäuble es offenbar für eine rhetorische hält, tatsächlich aber mitnichten geklärt ist, wie die Zusammenhänge nun sind. Auch wenn uns das beispielsweise Christian Pfeiffer immer weißmachen will. Und wieder stehen die Hersteller und Spieler in der Defensive ohne dass es dafür irgendeinen handfesten Grund gäbe. Ich hoffe ja nur, dass daraus nicht wieder eine unsachliche Hexenjagd auf Computerspiele entsteht.

Interessant fand ich allerdings die tiefschürfende Einsicht eines Reporters im Sat1 Frühstücksfernsehen, der vor dem Tatort stehend eingestand, dass die Menschen vor Ort der Anwesenheit der Medien (Reporter und Kamerateams belagern ja regelrecht die Schule) langsam überdrüssig wären und dies auch zum Ausdruck brächten. Sinngemäß schloß er mit “Es ist wohl Zeit für uns, die Menschen vor Ort mit ihrer Trauer allein zu lassen, es ist Zeit sich zurückzuziehen.” Im Angesicht von soviel Verständnis vor laufender Kamera, war ich dann doch etwas erstaunt.

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