GIGA geht offline (zumindest im TV)

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GIGA Senderlogo auf Wikipedia (c) GIGA Digital Television

GIGA Senderlogo auf Wikipedia (c) GIGA Digital Television

Möglicherweise ist GIGA vielen gar kein Begriff mehr. Es begann im Jahr 1998, zufälligerweise das Jahr, indem ich erstmals intensiven Kontakt mit einer (schon nicht mehr ganz so) neuen Technologie genannt World Wide Web hatte. Vor 98 gab’s das nur in der Schule (da war ich in der achten oder neunten Klasse) aber dann auch zuhause, mit unserem ersten hauseigenen Internetanschluß über ein tolles 56k Modem(!).

Auch im deutschen Fernsehen wurde das Thema Internet ernsthaft aufgegriffen, als am 30. November 1998 “NBC GIGA” das erste Mal über den Bildschirm flimmerte, damals noch auf dem europäischen Kanal des Fernsehsenders NBC, der seinen Sender aber an die DFA abgetreten hatte. Täglich zwischen 15 und 20 Uhr konnte man hier Zeuge eines ersten Experiments zur Medienkonvergenz von TV und WWW werden, allerlei digitale und nicht-digitale Themen (Computerspiele, Stars, neue Websites, Sport etc.) wurden hier in kurzen Bausteinen und einem fluiden Format verarbeitet, immer begleitet durch eine große Chatcommunity, an der jeder Communityforscher seiner Zeit seine helle Freude hätte haben können. (Die intensive Communityforschung am Uni-Standort Magdeburg kam ja wohl erst Jahre später zur Blüte.) GIGA war Innovation pur, junge Medienmacher, ein Hauch von Anarchie und der direkte Draht zu den Zuschauern, die hier tatsächlich Einfluss auf das Programm nehmen konnten.

Popkultur wurde bei GIGA ebenso zelebriert, unter anderem mit Stargästen und Musikvideos. Direkter Kontakt zu den Studiogästen und Machern im Chat, das war im Grunde eine Vorstufe des Web 2.0 (man nehme MySpace oder Youtube als Beispiel), in vielen Belangen war diese Sendung ihrer Zeit weit voraus. Für Leute wie mich, die zwar Internet hatten, aber aus Kostengründen noch nicht 24/7 surfen konnten, war GIGA die Möglichkeit, das Netz kennenzulernen und dann gezielt zu Surfen (man beachte, dass der Siegeszug von Google erst zu dieser Zeit begann). Ich kann wohl behaupten, dass mich GIGA für das Web erst sozialisiert hat, was dazu geführt hat, dass ich heute ohne kaum noch Leben könnte. Neuigkeiten und Entwicklungen rund um das aufkommende digitale Leben wurden quasi in Echtzeit kommuniziert, mit Kopfschütteln mag man sich beispielsweise noch an die desaströsen Zustände erinnern, als Mobilcom die erste Dial Up-Flatrate für 77,77 DM auf den Markt brachte und sie wenig später wieder einstampfen mußte.

Die Sendung entwickelte sich, wurde professioneller und zog in ein größeres Studio um, lange Zeit war das in der Tat mein ausschließliches Nachmittagsprogramm, Musikfernsehen für Geeks quasi. Man konnte problemlos ein- und aussteigen, ohne das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen. Aus der zentralen Sendung, später auch GIGA Green genannt, erwuchsen Ablegerformate, die in eigenen Sendungen nach 20 Uhr stattfanden, außerdem kamen Lokalstudios und -redaktionen über die Bundesrepublik verteilt hinzu.Viele zeitgenössische Moderatoren haben bei GIGA laufen gelernt: Miriam Pielhau, Joey Grit Winkler und Fero Andersen (heute RTL 2), Charlotte Engelhardt oder Jana Ina Zarella (beide Pro Sieben).

Seit 2002 konnte ich persönlich GIGA nicht mehr sehen, weil ich kein Kabel bzw. später digitalen Satelitenanschluß hatte. Das Konzept lebte aber durchaus noch auf, bis der Sender von NBC wieder übernommen und durch “das Vierte” ersetzt wurde, also bis ins Jahr 2006.  Diesen Umbruch überlebte die Muttersendung und damit das Kernkonzept wohl nicht (wenn ich den Artikel in Wikipedia richtig interpretiere), die Produktion zog um (nach Köln, später auch Berlin), es wurden dann hauptsächlich Sendungen zu (Computer-)Spielethemen und E-Sports gemacht und nur langsam kamen Alternativen dazu, allerdings war hier schon der Großteil der ehemaligen Community abgesprungen, auch weil sie die Sendungen, die zuletzt nur noch im IPTV und digital angeboten wurden, nicht mehr empfangen konnten. Nach der Übernahme durch Premiere 2008 wurde wieder erheblicher Aufwand in einen Neustart gesteckt, der auch durchaus erfolgreich zu verlaufen schien. So erklärt Geschäftsfüher Stefan Borg im Firmenblog: “GIGA hat seit Einführung der neuen Struktur zwar stark zugelegt, wird den Herausforderungen – gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise – aber nicht gewachsen sein.” Der Werbemarkt sei erschreckend geschrumpft, auch bei den großen Privaten, doch bei den kleinen schlägt es sich natürlich zuerst nieder. Premiere, derzeit Besitzer von GIGA, entschl0ß sich daher sich wieder seinem Kerngeschäft – dem Bezahlfernsehen – zu widmen. Darum wird Ende März der Sendebetrieb komplett eingestellt, derzeit laufen nur noch Wiederholungen und alls Mitarbeiter haben die Kündigung erhalten. Die Website selbst soll nach Möglichkeit mit einem anderen Partner weiter betrieben werden, immerhin ist sie derzeit wieder eine erfolgreiche, junge Community (aber möglicherweise nicht 2.0ig genug?).

Ohne zu sehr in Prognosestimmung zu verfallen, zeigt dieser Schritt meiner Meinung nach, dass auch das Fernsehen, als ja eigentlich noch recht junges Massenmedium, das Internet als wichtiges Werkzeug zur Symbiose nicht richtig einschätzt. Wenn überhaupt, verstehen Fernsehmachern unter ‘Internet’ scheinbar einen weiteren Absatzmarkt, eine zusätzliche Plattform für die ewig gleichen Produkte – oder wie es im Jargon heisst “Content” – (siehe sämtliche Websites der Privaten oder Services wie Maxdome), wo man auch noch ein paar Werbeeinnahmen abgreifen kann. Das aber das Internet ein wichtiger Rückkanal in Echtzeit sein kann (eine Kommunikationmöglichkeit, die dem Fernsehen selbst  ja faktisch fehlt) und über kurz oder lang dem TV den Rang ablaufen könnte, wird offenbar nicht wahrgenommen oder wird gezielt verdrängt. Ich glaube, dass sich Premiere in nicht allzu ferner Zukunft ärgern wird, das ja an sich erfolgreiche Experiment GIGA so abgebrochen zu haben.

Ich finde den Verlust von GIGA durchaus schade, vor allem vor dem Hintergrund der etablierten deutschen Medienlandschaft, die ja schon lange nichts Neues mehr auf die Beine stellt. (Dass ich “Desperate Housewives” jetzt auch bei iTunes runterladen kann, ist ja nun keine richtige Innovation, und falls doch, dann leider nicht der deutschen Medienmacher.) Möglicherweise aber war die Zeit für GIGA einfach noch nicht reif, letztendlich blieb es ja auch über die letzten 10 Jahre immer eher eine Randerscheinung. Wir werden es wohl noch erleben, falls das Projekt (oder ein Ähnliches) eines Tages wiederbelebt werden sollte, darum schließe ich mit dem GIGA Motto aus früheren Tagen:

The Future is you!

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